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Sportdeutschland-News

„Die Kombination aus Zuschauen und Mitmachen ist etwas Wunderbares“

Der Sommer ist für Fabian Wegmann die intensivste Jahreszeit. Als Experte für die ARD war er in den vergangenen drei Wochen bei der Tour de France unterwegs, als Renndirektor der ADAC Cyclassics in Hamburg und der Deutschland-Tour stehen im August große Veranstaltungen in der Heimat an. Doch der 45-Jährige geht alle Herausforderungen mit Gelassenheit an, schließlich liebt er den Radsport. Über diese Leidenschaft haben wir mit ihm gesprochen.

DOSB: Fabian, du bist in den vergangenen Wochen bei der Tour de France sehr viel in Frankreich unterwegs gewesen und hast den Hype, der um Florian Lipowitz entstanden ist, aus der Ferne miterlebt. Wie beurteilst du, was seine grandiose Leistung für den Radsport in Deutschland bewirken kann?

Fabian Wegmann: Zunächst möchte ich feststellen, dass wir schon in den vergangenen Jahren beobachtet haben, dass immer mehr deutsche Fans in Frankreich waren. In diesem Jahr war noch einmal ein deutlicher Anstieg zu beobachten, und der liegt nicht primär an Florian, denn einen Besuch bei der Tour plant man ja nicht mal eben spontan. Dennoch bin natürlich auch ich maximal begeistert von seiner Leistung und hoffe, dass sie noch einmal einen weiteren Aufschwung für unseren Sport bringt. Wir beobachten seit Jahren auch bei den Jedermann-Rennen einen Anstieg der Teilnehmenden-Zahlen, und wenn dann einer bei den größten Rennen vorn mitfährt, steigt das Radsport-Fieber noch einmal an.

Was traust du Florian Lipowitz mittelfristig zu? Müssen wir aufpassen, nicht zu euphorisch zu sein?

Grundsätzlich ist eine gewisse Zurückhaltung nie verkehrt, wir hatten vor sechs Jahren, als er Vierter der Tour geworden ist, schon einmal einen ähnlichen Hype um Emanuel Buchmann, der dann von seinem schweren Sturz zurückgeworfen wurde und gerade ein wenig um den Anschluss kämpft. Aber wenn Florian gesund bleibt, dann kann er sich als Top-fünf-Kandidat etablieren und auch Großes gewinnen. Man darf nicht vergessen, dass er erst 24 Jahre alt und seit drei Jahren Profi ist und nicht aus dem Radsport, sondern aus dem Biathlon kommt. Sein großes Potenzial hat er schon mit Platz sieben bei der Vuelta im vergangenen Jahr gezeigt, er war dieses Jahr Zweiter bei Paris-Nizza und Dritter bei der Dauphiné. Zu Vingegaard und Pogacar ist es noch ein Stück, aber die werden auch nicht ewig auf diesem Niveau fahren.

Täuscht der Eindruck, oder ist die Zeit, in der in Deutschland im Radsport vor allem über die Dopingproblematik gesprochen wurde, vorbei und die Leistungen, die die Sportlerinnen und Sportler erbringen, stehen wieder mehr im Mittelpunkt?

Ich teile diesen Eindruck. Mein Gefühl ist, dass die Menschen die vielen Anstrengungen honorieren, die der Radsport in der Bekämpfung des Dopings unternommen hat, wie die Einführung des Blutpasses oder die frühzeitigen Verbote von Mitteln, noch bevor diese auf der NADA-Liste auftauchen. Wir müssen realistisch sein: Es wird niemals den komplett sauberen Sport geben, weder im Radsport noch anderswo. Es gibt im Sport und in der Gesellschaft immer schwarze Schafe. Einzelfälle sind nie auszuschließen. Aber ein Team, das durch die Bank weg dopt, gibt es nicht mehr, davon bin ich überzeugt. Ich finde auch, dass der Radsport mit dem Thema mittlerweile sehr transparent umgeht. Und ich bin überzeugt, dass die Fans die Leistungen, die die Fahrer bringen, zu würdigen wissen. Wer sich, so wie es auch in diesem Jahr zu Tausenden der Fall war, selbst den Mont Ventoux auf dem Rad hinaufquält und dann sieht, in welchem Tempo die Profis mit schon zwei Wochen voller harter Etappen in den Beinen hinaufrasen, der kann dafür nur Anerkennung empfinden.

Sprechen wir also über den Radsport-Boom in Deutschland. Begonnen hat dieser während der Pandemie. Ist der Radsport ein Corona-Gewinner?

Zumindest lässt sich feststellen, dass die Zahlen seitdem deutlich ansteigen. Ich denke, fast jeder konnte das in seinem Freundeskreis beobachten, dass viele von Sportarten, die sie auf einmal nicht mehr ausüben durften, aufs Rad umgestiegen sind. Das zeigt sich nicht nur an den Verkaufszahlen, die die Industrie aufweisen konnte, sondern auch an wachsenden Mitgliedsbeständen. In meinem Verein hatten wir vor Corona rund 160 Mitglieder und haben 30 bis 35 Lizenzen für die Teilnahme an Rennen ausgegeben. Dieses Jahr liegen wir bei 300 Mitgliedern und 90 Lizenzen. Vor allem der Anteil der Frauen ist überproportional gewachsen. Ich bin in meiner Heimat Münster Mitorganisator des kleinen Rennens „Rund um die Marktallee“. Als wir vor ein paar Jahren starteten, hatten wir acht Frauen dabei. Dieses Jahr sind es schon 38 und 50 Männer, da ist schon fast Geschlechterparität erreicht. Vor Corona gab es sonntags eine Hobbygruppe, die gemeinsame Touren angeboten hat. Heute kann man jeden Abend fünf, sechs solcher Gruppen finden. Da ist wirklich sehr viel passiert.

Das Eine ist, während der Pandemie mit dem Radfahren zu beginnen, weil es kaum Alternativen gab. Das Andere, dann auch dabei zu bleiben. Was sind aus deiner Sicht die Vorzüge, die Menschen im Radsport halten?

Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch, der auf ein Rennrad steigt und eine Tour fährt, sehr schnell spürt, wie schön das ist. Im Vergleich zum Joggen, das ja ebenfalls boomt, hat man einen deutlich größeren Radius. Wenn ich eine Stunde laufe, was in etwa der Belastung von zwei Stunden schnellem Radfahren entspricht, schaffe ich als Hobbyläufer zehn, vielleicht zwölf Kilometer. Auf dem Rad sind 50 bis 60 Kilometer kein Problem, dadurch sieht man viel mehr von der Umgebung. Und ich glaube, dass auch die Bekleidung eine Rolle spielt. Früher waren Radsport-Klamotten furchtbar bunt, man konnte als Highlight vielleicht ein Team-Trikot kaufen, das war es auch schon. Heute gibt es sehr stylische Funktionskleidung, was insbesondere Frauen zu schätzen wissen.

Olympia-Blues ist ausgestanden, die Heim-EM kann kommen

Gespräche mit Nils Ehlers und Clemens Wickler zählen zu den angenehmen Dingen des Lebens. Nicht nur, weil Deutschlands bestes Beachvolleyball-Duo allürenfrei, eloquent, höflich und dabei immer mit einer angemessen Portion Schalk im Nacken daherkommt. Sondern auch, weil Ausreden für sie auf dem Index stehen und stattdessen schonungslos ehrliche Selbstkritik Programm ist. Wer sich also darüber wundert, dass die Silbermedaillengewinner der Olympischen Spiele von Paris 2024 in die Heim-EM, zu der von diesem Mittwoch bis Sonntag in Düsseldorf aufgeschlagen wird, „ohne Erwartungen starten“, bekommt die Begründung dazu sofort mitgeliefert.

„Wir haben in der Nachbereitung von Paris ein paar Fehler gemacht“, sagt Clemens, „wir haben die Pause danach zu kurz gestaltet, zu viele Turniere noch mitgenommen und uns zu wenig Zeit zur Verarbeitung genommen.“ Er sei, sagt der 30 Jahre alte Abwehrspezialist, auf einer Euphoriewelle geschwommen, die sich super angefühlt habe. „Dieses Gefühl wollte ich in die neue Saison hinüberziehen, habe mir dadurch Ergebnisdruck gemacht, dem ich nicht standhalten konnte.“ Nils, der in Paris seine Olympiapremiere gleich mit Edelmetall krönen konnte, hatte ähnliche Emotionen. „Ich habe mich extrem mit dem Abschneiden in Paris identifiziert und von mir erwartet, nun immer oben zu sein. Aber so ein Mindset ist schädlich, denn jedes Turnier startet bei 0:0. Erfolge aus der Vergangenheit sind schön, aber irrelevant für Gegenwart und Zukunft. Das haben wir beide nun verstanden und daraus gelernt“, sagt der 31-Jährige.

Die Lehre aus den World University Games? NRW kann Sportgroßevents!

„Rhine-Ruh“ steht an der überdimensionierten Flamme, dem Logo der Rhine-Ruhr 2025 FISU World University Games, an der sich zwischen Messe Essen und Grugahalle täglich Hunderte Besucher der Weltspiele der Studierenden fotografieren lassen oder selbst ablichten. Das „r“ ist abgefallen, was nach acht Veranstaltungstagen als normaler Materialschwund gelten kann, oder vielleicht wurde es auch von besonders verrückten Souvenirjägern abgeschraubt, man weiß es nicht. Was man weiß: Selten war ein Schriftzug weniger Programm, denn Ruh gibt es bei dieser Multisportveranstaltung ungefähr genauso viel wie in der Einflugschneise des Frankfurter Flughafens. Die World University Games mit ihren knapp 7000 Athlet*innen und weiteren rund 2200 Delegationsmitgliedern aus rund 150 Nationen sind ein vibrierender Schmelztiegel des studentischen Hochleistungssports. Und weil sie mit Blick auf die Bewerbung der Region Rhein-Ruhr um die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele in Deutschland in den Medien gern als Testlauf oder Blaupause für noch Größeres bezeichnet werden, lohnt es sich, ein wenig genauer hinzuschauen.

Sina Diekmann tut dies aus beruflichen Gründen besonders intensiv. Die 36-Jährige ist bei der Veranstaltungs gGmbH als Abteilungsleiterin Sport angestellt, und auch wenn ein knackiges Abschlusswochenende mit vielen Entscheidungen noch aussteht, ist sie überzeugt davon, ein positives Fazit ziehen zu können. „Wir dürfen behaupten, dass wir internationale Sportveranstaltungen dieser Größenordnung organisieren können“, sagt sie. Feedback von Delegationen aus aller Welt speise diese Einschätzung. Vor allem das dezentrale Konzept der Unterbringung, das 84 Hotels in der Region anstelle eines zentralen Athlet*innendorfs einbindet, werde fast schon überraschend gut angenommen. „Der Faktor Zeit ist für die meisten sehr entscheidend, und wer von seinem Hotel fußläufig zur Wettkampfstätte kommt, muss nicht wertvolle Zeit in Shuttlebussen verbringen, sondern hat sie stattdessen zur Vor- und Nachbereitung. Das wird von den allermeisten Sportlerinnen und Sportlern sehr positiv bewertet“, sagt sie.

Zu Beginn Probleme mit digitaler Zeitmessung

Ines Lenze und Christoph Edeler, die als Doppelspitze die deutsche Delegation leiten, können das bestätigen. „Die Services funktionieren sehr gut, die Shuttles fahren pünktlich und sehr regelmäßig, das Essen in den Hotels und Wettkampfstätten ist hochwertig und ausreichend, deshalb sind alle sehr zufrieden“, sagt Ines Lenze. Zu Beginn der Wettkämpfe gab es an einigen Venues zwar Probleme mit der digitalen Zeitmessung, die nicht adäquat auf den Bildschirmen dargestellt werden konnte. „Das hat uns überrascht, weil unser Partner Atos als erfahren in Multisportevents gilt. Aber dass die ersten Tage nie ruckelfrei und manchmal nervenaufreibend sind, ist nicht überraschend, und wir haben die Probleme mittlerweile gemeinsam mit Atos in den Griff bekommen“, sagt Sina Diekmann.

Das Klischee von dauerfeiernden Student*innen, das angesichts gestraffter Studieninhalte sowieso immer seltener stimmt, wird dadurch bedient, dass die Veranstalter an den Wettkampforten Bochum, Duisburg, Essen, Hagen, Mülheim und Berlin als Außenstelle für Schwimmen, Wasserspringen und Volleyball sogenannte „Neighbourhoods“ eingerichtet haben; Orte, an denen sich die Teilnehmenden versammeln, treffen und – ganz wichtig – Pins tauschen können. „Außerdem ist in der Akkreditierung der öffentliche Nahverkehr in der gesamten Region enthalten, was von den Athlet*innen sehr gut angenommen wird. Viele fahren nach ihren Wettkämpfen zum Beispiel ins Bermudadreieck nach Bochum und machen dort gemeinsam Party. Dort kommen sie dann mit der Bevölkerung in Kontakt, und genau darum geht es bei einem Multisportevent dieser Ausrichtung ja auch“, sagt Sina Diekmann.

Der Vergleich mit dem Olympiakonzept, mit dem Nordrhein-Westfalen zum 31. Mai offiziell in den nationalen Ausscheid mit Berlin, Hamburg und München eingestiegen ist, hinkt allein schon deshalb, weil die darin eingeplante wichtigste Gastgeberstadt Köln und die Landeshauptstadt Düsseldorf nicht Teil der WUG sind. Der Charme der Sportstätten, die die Region zur Verfügung stellen kann, wird aber auch in diesen Tagen sichtbar. Um diese Sichtbarkeit komprimiert Entscheider*innen aus verschiedenen Bereichen von Wirtschaft, Politik und Sport zu ermöglichen, haben die Veranstalter am Mittwoch zur Observer Tour geladen. Auf einer Bustour durch die Hauptaustragungsorte Duisburg, Bochum und Essen lassen sich Eindrücke gewinnen, die zumindest die Fantasie dafür anregen, wie Olympische Spiele mit doppelt so vielen Teilnehmenden und Sportarten - 18 sind es bei den WUG - in NRW funktionieren könnten.

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