Sportdeutschland-News
„Das Angebot, das der DOSB macht, wird ernst genommen“
DOSB: Christian, du bist seit 2007 Leiter des DOSB-Hauptstadtbüros und hast in dieser Funktion schon einige Koalitionsverträge begleitet. Gibt es im aktuellen Entwurf der Bundesregierung, der am vergangenen Mittwoch vorgestellt wurde, etwas, das dich in besonderer Weise überrascht hat?
CHRISTIAN SACHS: Die größte Überraschung ist die Detailtiefe, in der die verschiedenen Themen abgearbeitet werden. Das gilt sowohl in Bezug auf Themen mit Sportbezug als auch für den gesamten Vertrag. Der Koalitionsvertrag der vorangegangenen Ampel-Regierung hatte meines Erachtens beispielhaft gezeigt, dass solche Schriftstücke eine Bindungswirkung haben, die von disruptiven Entwicklungen wie dem Kriegsausbruch in der Ukraine obsolet gemacht werden kann. Nach der Zeitenwende-Rede des damaligen Bundeskanzlers Olaf Scholz hätte man den gesamten Koalitionsvertrag ad acta legen und neu ausarbeiten können, vielleicht sogar müssen. Deshalb habe ich mir angesichts der weltpolitischen Entwicklungen dieser Tage die Frage gestellt, ob wir nicht erneut in einer Situation sind, in der durch das Drehen der großen weltpolitischen Stellschrauben die Tektonik unseres Systems in Unwucht geraten ist. Ich hätte mir deshalb einen deutlich kürzeren, abstrakteren Vertrag vorstellen können. Dass es anders gekommen ist, hat mich überrascht.
Hast du dafür eine Erklärung? War es das verstärkte Werben des DOSB und damit maßgeblich auch deines Teams, das den zehn Forderungen des organisierten Sports Nachdruck verliehen hat? Oder ist schlicht eine höhere Anerkennung des Wertes zu verzeichnen, den die Politik dem Sport beimisst?
Sachs: Es gibt durchaus inhaltliche Anzeichen dafür, dass die angehenden Koalitionäre das Angebot, das der DOSB macht, um zur gesellschaftlichen Geschlossenheit beizutragen, mit Sympathie betrachtet und entsprechend ernst genommen wird. Das Kern-Zukunftsprojekt des DOSB, eine Bewerbung um die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Spiele, taucht in einer hohen Prominenz im Vertrag auf, weil es offenbar auch auf politischer Seite als ein hoffnungsvolles Zukunftsprojekt für die nächste Dekade angesehen wird. Ebenso wichtig ist die Anerkennung, dass die Ertüchtigung der maroden Sportinfrastruktur sowie die Mobilisierung der Bevölkerung, und hier insbesondere der jüngeren Generationen, nicht vernachlässigt werden dürfen. Wir als organisierter Sport stehen in hohem Konkurrenzdruck zu anderen Aktivitäten, insbesondere im Bereich der sozialen und digitalen Medien. Wenn es uns gelingen soll, junge Menschen dauerhaft in Bewegung zu bringen, braucht es dafür angemessene Angebote, Sportflächen, aber auch ausreichend Trainer*innen. Bewegung und Begegnung zu ermöglichen, das ist für die neue Regierung augenscheinlich ein wichtiges Thema. Indem der Bund sich unter dem Schlagwort Bundesmilliarde dazu verpflichtet, die Sportinfrastruktur zu optimieren, vollzieht er einen Paradigmenwechsel, weil er eine Aufgabe übernimmt, die verfassungsrechtlich den Ländern und Kommunen zugeordnet ist. Das ist deshalb ein wichtiges Zeichen, weil der Bund bewusst die positiven Aspekte des Sports stärken und den Menschen das Gefühl geben will, dass sich deren Lebensqualität vor Ort konkret verbessert.
Tatsächlich wurde die Bundesmilliarde in einigen Medien sehr kritisch bewertet, weil sie sich auf die gesamte Legislaturperiode bezieht und der vom DOSB geforderte Zusatz „pro Jahr“ fehlt. Ist sie denn nun ein Erfolg oder eher ein Dämpfer?
Sachs: Ich glaube, dass wir hier ein wenig im klassischen Zwiespalt zwischen Wunsch und Realität gefangen sind. Die finanzielle Lage des Bundes ist, um es neutral zu formulieren, durchaus angespannt. Noch lieber hätten wir selbstverständlich gehabt, dass eine jährliche Milliarde festgeschrieben worden wäre. Aber im Vergleich zur Vergangenheit ist das klare Commitment, das eine fixe Summe beinhaltet, ein Fortschritt. Nun wird es darauf ankommen, dieses Geld nach den im Sportentwicklungsplan erarbeiteten Kriterien sinnvoll einzusetzen und die Förderung bestenfalls zu verstetigen.
Tatsächlich ist Papier geduldig. Das eine ist, was angekündigt wird, das andere, was davon umgesetzt wird. Wie realistisch ist es also, dass die Themen, die den Sport betreffen, in dieser Legislaturperiode auch angegangen werden?
Sachs: Grundsätzlich ist dieser Entwurf des Koalitionsvertrags mit einem Finanzierungsvorbehalt belegt. Aber die Vergangenheit hat immer wieder gezeigt, dass es nicht allein reicht, Geld ins Fenster zu stellen. Entscheidend für den Erfolg von Förderprogrammen ist, dass diese Programme gut gemacht sind, dass Kommunen, Vereine und Verbände antragsfähig sind und flexible Lösungen gefunden werden für den oft vorkommenden Fall, dass zum Beispiel Kommunen keine eigenen Beträge zuschießen können. Es muss gelingen, dass die Förderprogramme unter Einbeziehung der Expertise des Sports entwickelt werden. Das gilt nicht nur für die Bundesmilliarde, sondern auch für ebenso wichtige Bereiche wie die Traineroffensive, die Stärkung des Ehrenamts, den Abbau von Bürokratie, den Schutz vor interpersoneller Gewalt sowie Inklusion und Integration. All das im Sport - und damit in breiten Teilen der Gesellschaft - umzusetzen, funktioniert vor allem, wenn es eine extrem enge Kooperation zwischen der Politik und dem organisierten Sport gibt und ein hohes Vertrauen in die selbstorganisatorischen Fähigkeiten der Vereine aufgebaut wird.
Das neue Sportprogramm für die Olympischen Spiele Los Angeles 2028
Mehr Frauen als Männer und neue Wettbewerbe mit mehr Medaillen als je zuvor: Die Exekutive des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) hat am 9. April das Wettbewerbsprogramm und die Anzahl der Startplätze für die Olympischen Spiele Los Angeles 2028 beschlossen.
Mit 351 Medaillen-Entscheidungen wird es 22 mehr geben als noch in Paris 2024 (329). Gleichzeitig wird das Limit von 10.500 Athletinnen und Athleten in den Kernsportarten eingehalten. Hinzu kommen 698 Startplätze für die fünf vom Ausrichter LA 2028 vorgeschlagenen Sportarten Baseball/Softball, Cricket, Flagfootball, Lacrosse und Squash.
Der Leiter der Abteilung Verbandsberatung & Sportförderung im DOSB, Robert Bartko, ordnet die Entscheidung ein: „Aus sportlicher Sicht bietet diese Entwicklung mehrere Chancen: Die stärkere Präsenz von Frauen kann die Beliebtheit und Sichtbarkeit weiblicher Athletinnen sowie deren Sportarten weiter steigern. Insbesondere die Erweiterung der Frauenfußball-Wettbewerbe auf 16 Teams zeigt das wachsende Interesse an Frauenteamsportarten“, so Bartko. „Diese Entwicklung stellt uns alle im Leistungssport noch stärker vor die Aufgabe, Nachwuchsathletinnen gezielt zu fördern und gleichwertige Trainings- und Wettkampfbedingungen für Frauen und Männer sicherzustellen. Das neue Programm steht für eine zukunftsweisende Entwicklung, die nicht nur die Geschlechterparität stärkt, sondern auch das Potential hat, die Vielfalt und Attraktivität des olympischen Sports insgesamt zu fördern.“
Gemeinsam erfolgreich die Zukunft gestalten
Daniel Dwars hat im März 2025 als Nachfolger von Zakia Chlihi die Leitung des zuständigen Referats im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) übernommen. Bianca Tamadon fungiert seit September 2024 als Bundesprogrammleitung auf Seiten des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB). Im Mittelpunkt des gemeinsamen Treffens standen das persönliche Kennenlernen und die strategische Zukunftsausrichtung des Bundesprogramms.
Zukunftsstrategie: Integration durch Sport langfristig stärken
Ein zentrales Thema des Treffens war der laufende Strategieprozess für die kommende Förderperiode von 2027 bis 2029. Dabei standen grundsätzliche Fragen zur Zukunft des Programms im Mittelpunkt: Was ist die langfristige Vision von IdS? Wie kann die Teilhabe von Menschen mit Migrationsgeschichte noch weiter gefördert werden? Welche Maßnahmen sind notwendig, um das Programm nachhaltig weiterzuentwickeln? Ziel ist es, bis Ende des Jahres eine finalisierte Strategie vorzulegen, die diesen Fragen Rechnung trägt.